in

35 Jahre Muselzeidung: Usch Burton erinnert sich

Also, das war damals so in den 68ern…
Als ich damals in Echternach auf der Première war, hat man uns eines schönen Tages in ein Lyzeum nach Luxemburg-Stadt gekarrt, wo in verschiedenen Klassensälen Vertreter verschiedener Berufe über die schönen und weniger schönen Aussichten ihrer Sparte berichteten. Ich interessierte mich für Film und Journalismus. Zukunftsaussichten gleich null, meinten die Antagonisten.

Hab’ mich dann nach der Première für Sprachen entschieden. Die Begeisterung hielt nur ein Semester. Es folgten vier Jahre Grafikstudium in Brüssel und Düsseldorf.

Bei einem dreimonatigen Stage in der Zeitschrift „Lëtzebuerger Revue“ musste ich feststellen, dass gelernte Journalisten nicht der Normalfall waren – es brauchte noch nicht einmal Première. Hab’ daraufhin erfolgreich beim „Luxemburger Journal“ als Journalist angeheuert. Die Begeisterung hielt nur zwei Monate. Soweit mein journalistischer Background.

Als freischaffender Grafiker (und Denker) mit großem Latinum hab’ ich dann versucht, über die Runden zu kommen. Ich hätte jahrelang die Einkellerungsprämie beim Sozialamt einfordern können …

O-O-Olivetti … an den Aarsch voller Schold

Das tägliche Werkeln bestand aus Malen, Fotografieren und Texten. Texte aufs Papier zu bringen, das war die Krux. Da gab es Blei oder Fotosatz oder Abreibebuchstaben. Letztere waren nur für kurze Texte geeignet. Die waren nur einmal zu verwenden und gingen auch schon mal aus. Blei (hatte die örtliche Druckerei) war nicht flexibel, weil nur ein paar Größen vorhanden waren. Fotosatz war die beste Lösung, aber dafür musste ich nach Luxemburg oder Trier … und ich musste anstehen.

Dann brachte Olivetti – deus ex machina – eine Schreibmaschine heraus mit Gehirn und auswechselbaren Schriften. Die Maschine hatte ein Display von einer Zeile und konnte sich ein paar Sätze merken. Man brauchte kein Tipp-Ex mehr und man konnte den Text links- bzw. rechtsbündig, mittig oder auf Spalte ausdrucken lassen.

Die Maschine kostete zwar ein kleines Vermögen, doch wir haben aufgerüstet. Die Abreibebuchstaben wurden durch ein großes Dymo ersetzt. Damit waren wir bereit, eine technisch nicht zu anspruchsvolle Zeitung herzustellen. Wir hatten den Aarsch voller Schold und suchten händeringend nach Möglichkeiten, unser Investment zu amortisieren.

In Echternach veröffentlichte Wirtze Pol derzeit die „Nei Zeidung“. Ich vermittelte ihm, wir wären schneller, flexibler, billiger, nur dass der Text von der Schreibmaschine käme. Pol wagte das Experiment mit uns und so wurden wir zum Zeitungshersteller.

Von Echternach nach Grevenmacher

Treuer Inserent in der „Nei Zeidung“ war das „Modehaus Decker“ aus Echternach. Als dann Decker-Modes das Geschäft von Kontesch Gert in Grevenmacher übernahm, klopfte Deckesch Will bei uns an, ob wir denn nicht so ‘ne „Nei Zeidung“ für die Mosel machen könnten. Fortan ging ich mit dieser Idee schwanger.

Dann, es war an einem Sonntagabend vor 35 Jahren „beim Schmëtt“: Um Comptoirerblicke ich Bambi, einen ehemaligen Schulfreund, den ich seit Langem aus den Augen verloren habe. Auf meine Frage, was er denn im Leben so treibe, meint er, er hätte zurzeit keine Arbeit. Ich erzähle ihm von meinen verlegerischen Ambitionen und frage, ob das nichts für ihn wäre. Seine Antwort: Er müsse das überschlafen.

Am nächsten Morgen steht Bambi um 8 Uhr (!!!) auf der Schwelle. (Er hatte eine Bäcker/Pâtissier-Lehre gemacht und war entsprechend andere Arbeitszeiten gewohnt.) Trotz der für mich unmöglichen Tageszeit bereiten wir sogleich einen Informationszettel an die Geschäfte vor, der noch am selben Abend auf die Post geht. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf: Die „Muselzeidung“ ist geboren!

Heute erscheint die Muselzeidung in einer Auflage von 52.000 Exemplaren

Wie es zu dieser stolzen Auflage kam: Am Anfang bedienten wir nur die Kantone Grevenmacher und Remich. Auf Anfrage der Miseler Geschäftsleute nahmen wir das deutsche Grenzgebiet mit in den Verteilerkreis. Mit den Gemeinden Frisingen und Mompach entsprachen wir dem Wunsch der Mondorfer und Wasserbilliger Geschäfte. Die letzte Erweiterung geht auf unsere Kappe. Angesichts der täglichen Staus in Luxemburg-Stadt dachten wir uns, alle, die östlich von Luxemburg wohnen, sollten staufrei im Osten kaufen. Wir nahmen die Gemeinden Niederanven, Contern, Sandweiler, Schüttringen und Weiler-la-Tour in die Verteilung auf.

Usch Burton

Alles im grünen Bereich